Vor- und Frühgeschichte
7200 vor Chr.-1400 vor. Chr.:
Die ältesten Zeichen menschlicher Besiedlung auf Mallorca gehen zurück in das 8. Jahrtausend vor Chr.: Radiokarbon-Analysen von Feuerstellen in der Höhle von Canet (Esporles) zeigen, dass schon vor etwa 9.200 Jahren, während des Übergangs von Mittel- zur Jungsteinzeit, Menschen auf der Insel lebten. Funde zeittypischer Steinwerkzeuge aus der Drachenhöhle (Porto Cristo) und bei Son Danús (Santanyí) erhärten diesen Befund. Vermutlich sind die ersten Siedler mit Schilfbooten vom spanischen Festland über die Nachbarinsel Eivissa (Ibiza) nach Mallorca gesegelt. Diese Theorie ist plausibel, da man bei günstigen Witterungsverhältnissen von der Festlandküste mit bloßem Auge Eivissa und von dort aus die Nachbarinsel Mallorca erkennen kann.
Die Neusiedler fanden ideale Lebensbedingungen vor. Das Klima war gemäßigt und regenreich, zahlreiche Karsthöhlen boten Schutz vor Regen und Kälte. Die Küsten, deren Hochwasserlinie 40 m bis 100 m tiefer lag als heute, waren flach und fischreich. Zudem bevölkerten leicht zu erlegende Zwergantilopen (Myotragus balearicus) die Insel.
Wohl mit dem Rückgang der Antilopenbestände um 2200 vor Chr. wurden die Menschen sesshaft und gingen zu Ackerbau (vorwiegend Hirse) und Viehhaltung (vom Festland eingeführte Schafe, Ziegen, Schweine, und Rinder) über. Sie lebten in Hütten und bestatteten ihre Toten in den verlassenen Höhlen oder in künstlich erschaffenen Erdgräbern. Keramikfunde und Töpferwaren von meist rötlich-brauner Färbung und mit Gravuren verziert, sowie steinerne Handmühlen stammen aus jener Zeit.
Invasoren
1400-400 vor Chr.:
Etwa zu Beginn des 14. vorchristlichen Jahrhunderts wurde die Insel von einem kriegerischen Seevolk besetzt, das vermutlich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammte. Nur weniges ist von diesen Menschen bekannt, doch handelte es sich wohl um Händler, die mit ihren Schiffen bereits in jener frühen Epoche Bronze und Kupfer vom spanischen Festland nach Sardinien und Etrurien transportierten. Die Invasoren errichteten mächtige Verteidigungsmauern und Türme in Megalith-Bauweise. Bisher ist nicht eindeutig geklärt, ob es sich bei den Türmen um Wehranlagen, um Wohn- oder Kultbauten handelte. Die Araber hielten sie für Wachtürme und nannten sie atalayi (>Wache halten<), weshalb man sie heute als talaiots bezeichnet.
Die meist runden und bis zu 8 m hohen und 12 m breiten Turmbauten bestanden aus tonnenschweren Steinquadern, die mörtellos zusammengefügt wurden. Hohe Steinmauern umfassten die oft erstaunlich großen Wohnsiedlungen, was auf Kämpfe zwischen den Clans oder eine Bedrohung seitens der Ureinwohner schließen lässt. Über 100 talaiots und 30 Wehrdörfer hat man bisher auf der Insel katalogisiert. Daneben finden sich heute noch Reste von navetas, ehemalige Grabstätten, deren Form an kieloben liegende Schiffsrümpfe erinnert. Sehenswert sind die Anlagen von Carpocorb Vell (Cala Pí), Ses Païsses (Artà), sowie Els Antigors (Ses Salines) und Punta des Bous (Llombards).
Die Kulturepoche des Talaiotikums reichte bis weit in die Bronzezeit, in die Zeit der Eroberung Mallorcas durch die Römer am Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts.
Griechen, Karthager und Römer
400 vor Chr.-455 nach Chr.:
Noch vor der römischen Besetzung wurde Mallorca in das Netz der phönizischen und später der griechischen und karthagischen Handelsniederlassungen einbezogen. Eine Eroberung der Insel war zu aufwendig, denn die Mallorquiner galten als gefürchtete Kriegsgegner, die mit der Steinschleuder eine wirkungsvolle Verteidigungswaffe besaßen. Die Schleuderer (foners) wussten mit ihren Schleudersteinen nicht nur ihre Insel zu verteidigen. Sie waren ebenso gefragte Söldner, die zunächst mit Hannibal die Alpen überschritten, um gegen die Römer zu kämpfen und später unter den Römern an der Zerstörung Karthagos (146 vor Chr.) beteiligt waren. Der Name des Balearen-Archipels soll auf das griechische ballein (>schleudern<) zurückgehen, das der griechische Geschichtsschreiber Diodorus erstmalig für die Beschreibung der Inseln verwandte.
Neben der Beteiligung an Kriegszügen in fremden Ländern widmeten sich die Mallorquiner der Seeräuberei in heimischen Gewässern. Betroffen waren besonders römische Handelsschiffe, die zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Mutterland pendelten. Im Jahre 123 vor Chr. bekam daher der römische Konsul Quintus Caecilius Metellus den Auftrag der Piraterie ein Ende zu bereiten. Nach der Eroberung der Insel gründeten 3.000 römische Veteranen, Kolonisten und Verbannte aus Südspanien zunächst die Verwaltungsstadt Pollentia (>die Starke<) neben dem heutigen Alcúdia.
Später wurde Palmaria Palmensis (die >Siegespalme<, im übertragenen Sinn die >Siegreiche<) im geschützten Süden der Insel erbaut, das heutige Palma. Die Besatzer gründeten neue Ortschaften, bauten Heerstraßen und intensivierten die Landwirtschaft (neben Wein- und Oliven-, besonders Weinanbau). Darüber hinaus führten sie ihre Kultur, ihre Religion und ihre Sprache, sowie das Römische Recht und das römische Verwaltungssystem ein: Balearis Major oder Majórica war das Mallorca von heute, während Menorca die Balearis Minor oder Menorica genannt wurde.
Nur wenige Relikte sind aus der Römerzeit erhalten. Neben verschiedenen Kleinfunden (Statuen, Waffen, Münzen etc.) ein Ruinenfeld und ein bescheidenes Teatre Romà bei Alcúdia, sowie eine Brücke über den Torrent de Sant Jordi in Pollença. Doch stehen zahlreiche Inselorte auf antiken römischen Fundamenten, die meisten Hauptverkehrsstraßen sind römischen Ursprungs, ebenso wie die Salinen im Inselsüden, an deren Rand ein noch heute genutztes ehemals römisches Thermalbad liegt.
Christen, Vandalen und Byzantiner
455-Anfang 8. Jh.:
Noch unter den Römern war die Christianisierung der Inselbewohner vermutlich abgeschlossen. Jedenfalls wird von Christenverfolgungen durch Vandalen berichtet, die um die Mitte des 5. Jh. Mallorca eroberten und die Römer vertrieben. Die Germanen wurden ihrerseits von den Byzantinern verdrängt, nachdem Kaiser Justinian I. den letzten Vandalen-König bei Karthago (533) besiegt hatte. Die Byzantiner brachten ihre hoch entwickelte Kultur mit und gestatteten ihren Glaubensbrüdern die freie Ausübung ihrer (römisch-katholischen) Religion. So wurde Mallorca vorübergehend zur Zufluchtsstätte von Christen, während sich der Islam an der Küste Nordafrikas nach Westen ausbreitete.
Mittelalter
Arabisch-maurische Zeit
8.-13. Jh.:
Zu Beginn des 8. Jh. zogen arabische und maurische Seefahrer plündernd durch das westliche Mittelmeer. Auch die Balearen-Inseln wurden wiederholt überfallen, deren Bewohner ihrerseits die mit Beutegut beladenen Araberschiffe angriffen. Im Jahr 903 gelang dem Emir von Córdoba, nach einem zunächst gescheiterten Versuch, die Eroberung Mallorcas trotz heftiger Gegenwehr der foners. Gut zwei Jahre später war die Unterwerfung des gesamten Balearen-Archipels abgeschlossen.
Drei Jahrhunderte sollte die Herrschaft der Muslime andauern. Medina Mayurka, die ‚Stadt von Mallorca‘ (Palma) wurde mit ihren Palästen, Moscheen, Bädern, Gärten und den islamischen Religionsschulen zur Hauptstadt der Insel. Alcúdia entstand als Verwaltungsstadt der Norddistrikte und erhielt einen geschützten Lagunenhafen. Zahlreiche Dörfer und Landgüter, die alquerías, wurden neu gegründet. Neben der Kunst, der Wissenschaft und der Architektur erblühte auch die Landwirtschaft, denn mit Hilfe der fortschrittlichen arabischen Bewässerungsmethoden konnten erstmals die Trockenzonen der Insel kultiviert werden. Auf kunstvoll angelegten Hangterrassen pflanzten die Araber auch im Gebirge die von ihnen mitgebrachten Mandel-, Pfirsich-, Aprikosen- und Johannisbrotbäume und Zitruspflanzen.
In Palmas Altstadt sind heute nur noch die arabischen Bäder erhalten, sowie einige Minarette der alten Moscheen, die zu Glockentürmen der christlichen Kirchen umgebaut wurden. Auf dem Land dagegen trifft man noch häufig auf Zeugnisse jener Zeit. Landgüter mit altarabischen Namen, 900-jährige Ölbäume, großartige Terrassengärten und die zu Teilen noch erhaltenen Bewässerungsbauten.
Reconquista und Königreich Mallorca
1229-1349:
Im Zuge der Reconquista, der Rückeroberung der von den Muslimen besetzten Gebiete Spaniens durch die Christen, landete Jaume I. (1208-1276), König von Aragonien und Herrscher über Katalonien, das Roussillon, Montpellier und Perpignan im September 1229 mit seinen Truppen auf Mallorca, um die Insel von den moros zu befreien.
Nach dreimonatiger Belagerung konnte Medina Mayurca am letzten Tag des Jahres eingenommen werden. Mit den Eroberern kam die katalanische Kultur und Sprache, und seit jener Zeit sprechen die Mallorquiner Katalanisch. Nachdem Jaume II. (der zweitgeborene Sohn des Eroberers) 1276 die Balearen, Montpellier und das Rousillon geerbt hatte, gründete er eine eigene Dynastie, das Königreich Mallorca. Unter diesem ersten mallorquinischen König, seinem Sohn Sanç I. und dessen Nachfolger Jaume III. entwickelte sich die Insel zu einer unabhängigen und einflussreichen Handelsmacht, die bis zur Entdeckung Amerikas (1492) Bestand haben sollte.
Das unabhängige Königreich Mallorca ging dagegen schon 1349 unter: Im Kampf gegen die Truppen seines Vetters Pere IV. von Aragonien fiel Jaume III. in der berühmten Schlacht von Llucmajor, wonach die Balearen und die Reichsgebiete auf dem Festland wieder an die aragonische Krone gingen.
14.-15. Jh.: Die Pest erreicht die Insel
Mit dem Untergang des Königreichs Mallorca ging auch der Wohlstand der Bürger zu Grunde. Hohe Tribute mussten an Aragonien abgeführt werden, der einst florierende Seehandel kam zum Erliegen. Hungersnöte und Pestepidemien (1374, 1384) dezimierten die Bevölkerung, Bauern und Handwerker erhoben sich gegen den Adel und Kaufmannstand. Im Jahr 1492 war die Reconquista mit der Eroberung der letzten islamischen Bastion Granada abgeschlossen. Die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien, die durch Heirat (1469) ihre beiden Reiche vereint hatten, gründeten den Einheitsstaat Spanien, zu dem fortan auch die Balearen gehörten.